Text und Illustration von Nick Buckenauer

Es ist wieder soweit, bzw. schlimmer denn je. Gestern noch bitterlich kalt, schnuddelig, schmuddelig, nun steht die Blüte in voller Pracht. Undurchdringliche Blätterdächer versperren den Blick auf das dahinterliegende Unheil – der Frühling wurde dieses Jahr aufs neue um seine langsame, betörende Entfaltung gebracht (hier ein Krokuspflänzchen, dort eine Knospe, wie das Stück für Stückweise zurechtmachen vor dem großen Auftritt – etwas Rouge hier, etwas Wimpertusche dort, die Strumpfhalter sorgsam das kreidebleiche Bein hochgelupft, das Korsett enger geschnallt, das übergroße Martiniglas ins rechte Licht gerückt [Ja, es ist wahrscheinlich eine Bourlequeshow, für die sich gerade zurecht gemacht wird und ja: Ich habe auch das Gefühl abzuschweifen… aber sowas macht halt der Frühling, für so etwas ist er bekannt in Stadt und Land]).

Der Sommer hat sich auch dieses Jahr wieder vorbei geschlichen wie ein gedoptes Rennpferd mit winzigem, ca. 24kg leichtem Jockey – gestern war es karg und kühl, heute ist es heiß und hot. Doch nein, dies hier ist mitnichten eine Sommerkritik oder gar eine Klimaerwärmungsdebatte, die wird folgen wenn es endgültig so heiß ist, dass ich über sowieso über nichts anderes mehr nachdenken kann.

Solange die Nächte jedoch noch wohltemperiert sind, so möge dies auch mein Kopf sein – gib mir genug Kraft, oh gnädige, allwissende Schöpfungsfigur dieser Welt, Erschaffer allen Seins, unbewegter Beweger – gib mir die Kraft (ooooooh Lord, oooooh Urknall) um meine jetzt fällige Wespenkritik zu überstehen, körperlich als auch geistig, bevor es zu spät ist.

Und vor allem, Schöpfergestalt, verrate mir: Wespen, du dummes Schwein? Die fiese, unnütze Terrorversion der formvollendeten, flauschigen, nützlichen und lieben Biene? Was musst du doch für einen ausgesprochenen Scheißtag gehabt haben, als dir dieses grausige, bösartige Wesen in den Sinn kam – ein optisch kaum unterscheidbarer Gegenentwurf zu einem so gutmütigen, ja geradezu liebevollen Wesen – man denke nicht zuletzt (aber auch nicht zuerst) an den köstlichen Honig, den sie produzieren – flüssiges Gold sagen manche sogar, obschon sie etwas übertreiben wie ich finde.

Billige, abgeschmackte Motorradgangster in schlechten Actionfilmen oder sogar noch schlechteren Videospielen, gekleidet in Lederhosen, Lederschuhen und Lederwesten und mit drolligen Riemchen am Lenker ausgestattet lassen mitunter Ketten auf dem Asphalt neben sich herschleifen, während sie zum Angriff blasen -rassel, rassel, gleich bist du dran, Freundchen; Bären brüllen, Katzen fauchen, Hunde knurren, Menschen schreien: „Komma du her“, „Nein! Komma ma du ma her“, bevor sie zum Angriff übergehen. Die Warnung soll ankommen, das Gegenüber durch gutturale Laute schon vornweg zum Opfer statt zum würdigen Gegner degradiert werden.

„Obacht, Freundchen, wenn du nicht sofort verschwindest, dann setzt’s was!“ – lediglich dem Menschen wurde die Möglichkeit der Artikulation eingeräumt, das Tierreich grunzt, brummt, faucht, kreischt, krakeelt, schreit, grölt, kurzum: macht Lärm. Die Wespe allerdings, ja was tut sie? Permalärm. Als würde ich bei jedem Schritt den ich tue schreien wie am Spieß: Linkes Bein: Mutterficker! Rechtes Bein: Chlamydien! Linkes Bein: Arschgesicht! Rechtes Bein: Komma du ma her!

Wir sehen: Wespen sind gefährliche Biester, würde man sie mit menschlichem Maßstabe Messen, so wäre eine fiese, sehr ausgeprägte Spezialtourettdiagnose unumgänglich. Immerzu am Krakeelen, Brüllen und schreien, bzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzz, motherfucker, bzzzzzzzzzzzzzz.

Die Wespe hat anscheinend eine derartige Grundaggression, dass sie bei der regulären Fortbewegung schon so einen akustischen Terror verbreitet, dass ich im Sommer schon in vorauseilendem Gehorsam mit den Knien schlottern, sobald ich auch nur an Wörter wie Garten, Wiese, Park, Draußen etc. denke. Meine Finger finden gerade kaum die Tasten auf der Tastatur, so sehr zittere ich – ich habe es mir leichtsinnigerweise auf dem Balkon „gemütlich“ gemacht. Falls diese Wespenkritik also das Licht der Welt erblicken sollte also zweierlei: Einen Applaus ans Lektorat und ein dreifaches Halleluja, die Scheißviecher haben mich nicht erwischt.

Ein Stoßgebet in Richtung Himmel lässt sich für den unwahrscheinlichen Fall der Veröffentlichung dieses Textes ebenfalls nicht mehr vermeiden: Mögen Wespen niemals des Lesens mächtig werden – ooooooh Lord, wir bzw. ich wären verloren. 

Kommen wir nun aus der heiteren Welt der Akustik in die lustige Welt der optischen Wahrnehmung: die kleinen Scheißkerle sehen sowas von gestört aus!  Kleines Gedankenexperiment: Stellen wir uns vor, die Wespe wäre – ähnlich wie es erwiesenermaßen die Libelle beispielsweise mal war – nicht im Zentimeter, sonder im Meterbereich unterwegs. Ach du scheiße sage ich da nur. Das muss erstmal Sacken. Spannweite von 1,5 Metern, Greifzangen, die einen Labradoodle enthaupten können, Stachel, die einem ausgewachsenen Blauwal das Auge rauspieksen könnten. Unvorstellbar sowas, aber wer weiß, was die Evolution noch so für uns bereit hält. Die Klimaerwärmung schafft jedenfalls rasend schnell die Voraussetzungen, für solch ein drastisches Szenario.

Aber, und da kann man ja fast von Glück sprechen, das ist ein Problem für unsere Kinder und Enkelkinder. Das braucht uns nicht mehr interessieren. Höre ich da gerade jemanden „Generationengerechtigkeit“ brüllen? Ja was denn, liebe Kinder und Kindeskinder? Was sollen wir tun? Soll die Wissenschaft sich etwa ein Jahr lang gebündelt mit der Erforschung des Genomes der Wespe befassen, aufdass wir eines Tages Herr sein mögen über diese wirren Biester. Eigentlich  bin ich ja nicht für Euthanasie… eigentlich.

Ach so, das andere. Die Klimaerwärmung, die sollten wir Stoppen, damit das ganze nicht so schlimm wird? Tut mir leid, die Wissenschaftler erforschen gerade Wespen. Und die besten Wissenschaftler wurden, laut  Broschüre von Philipp Morris, abgestempelt, um E-Zigaretten zu entwickeln. Für so einen Wahnwitz wie Klima hat kein Mensch Zeit, Kraft, Energie oder Phantasie.

Was sagt ihr da, ihr Kinder und Kindeskinder? Wespen seien überhaupt gar nicht das Problem? Außerdem hätte  mich nur einmal wegen meiner eigenen Blödheit eine Wespe gestochen, weil ich sie in ihrem Todeskampf angegrabscht habe? Ich hör wohl nicht recht, ihr kleinen Scheißer! Das ist dermaßen anmaßend! Das eigentliche Problem, sagt ihr, sei das, was ich am Anfang dieses Textes mit sexy Bourleque Abschweifungen versucht habe unter den Teppich zu kehren?

Ja, es stimmt, der Sommer ist da, es ist zu warm. Wespen wespen vor sich her, Bienen bienen herum, Hummeln hummeln nebendrein und wenn Fliegen hinter Fliegen fliegen fliegen Fliegen Fliegen nach. Noch sind sie hilfreich und drollig, ja sogar schützenswert, sagt ihr Kinder und Kindeskinder, ja, sagt ihr, sogar die Wespen. Obwohl ihr mir Recht gebt, was die Zornigkeit der Bestien betrifft. Und vor allem habt auch ihr Angst, eines Tages von anderthalbmeter Großen Wespen geköpft zu werden. Noch, so beschwichtigt ihr mich in meiner irrationalen Angst, sei es nicht zu spät, mögliche Riesenwespenszenarien ins reich der Phantasie zu verbannen.

Drum sage ich ich: Wissenschaftler, zieht ab, möge das Genom der Wespe für immer Geheimnis bleiben, wir haben andere Probleme (E Zigaretten sind immer noch der letzte Dreck!). Sobald die Tage wieder kühler werden und die surrende Bedrohung aufhört, wenn dann wieder etwas Ruhe in unsere erhitzen und Sorgenumtriebenen Hirne einkehrt, so lasset uns die Wespen Wespen sein lassen, lasst uns ihr Kampfgeschrei ignorieren und verhindern, dass sie irgendwann einsfuffzig groß werden, denn dann haben wir den Kampf verloren!